Besondere Erwähnungen
Weitere acht Fotoarbeiten wurden von der Jury mit einer Besonderen Erwähnung gewürdigt.
Kategorie "Profi"
Jan Bechberger, Berlin (*1971)
Leb' wohl mein Genie
"Geht es Dir gut, Mama?" – "Ja, mir geht's gut. Nur der Kopf ist ganz verwirrt." Das beschreibt recht treffend das Lebensgefühl meiner an Demenz erkrankten Schwiegermutter. Seit fast zwei Jahren entsteht meine Fotoserie, die ihren langsamen Rückzug aus dem bisherigen Leben dokumentiert, ohne den Schwerpunkt allzu sehr auf die oft auch nicht leichten und mitunter schwierigen Momente zu legen.
Früher selbst Künstlerin und Ärztin, bewegt sie sich durchaus immer noch recht souverän durch ihr Leben mit ihrem Mann und dem Familiendackel und freut sich über die mehr oder weniger regelmäßigen Besuche ihrer Kinder und Enkel und die gemeinsamen Feiern. Was immer wieder sichtbar wird: die Leere in ihrem Kopf sowie ihre Verwunderung und Verwirrung über das, was um sie herum passiert oder früher einmal war.
Ute Grabowsky, Bonn (*1962)
Kopf wirr - Gefühle klar
Reimund Schambeck hat seine Frau, die an Demenz erkrankt war, jahrelang liebevoll gepflegt. Kurz nach ihrem Tod erlitt er einen Schlaganfall, wodurch er jeden Bezug zu Zeit und Raum verlor. Sein Verständnis von Sprache ist stark eingeschränkt, die verbale Kommunikation sehr reduziert. Was macht die Persönlichkeit eines Menschen aus? Wie kann ich Kontakt halten, wenn die Sprache auf einmal kein Instrument der Kommunikation mehr ist?
Musik war auch in den Jahren seiner Pflegetätigkeit, der wichtigste Quell der Entspannung. Die Liebe zur Musik war immer auch Teil seines Alltags. Und noch heute ist eine Symphonie der direkte Zugang zu ihm. Beim gemeinsamen Musik hören, sind die Gefühle im Vordergrund. In seinem Haushalt gab es keinen Fernseher, sondern einen Ohren-Sessel, ein Radiogerät und ein CD-Spieler; der Rückzugsort für seine Pausen. Dort nahm sein ganzer Körper den Klang des Raumes auf, und es herrschte innerer Frieden - egal wie wild das Außen gerade tobte. Reimund Schambeck ist mein Schwiegervater und ich darf teilhaben, wenn die Klangwelt einer Symphonie ihn berührt. Der Kopf ist wirr - die Gefühle sind klar.
Susanne Lencinas und Jule Kühn, Heidelberg
Aufgeblüht
Ein Fotokunst-Projekt für einen positiven Blick aufs Alter – Gemeinschaftsarbeit von Fotografin Susanne Lencinas & Künstlerin Jule Kühn
Das Fotokunst-Projekt „Aufgeblüht" zeigt Seniorinnen mit Demenz, eingebettet in die Welt ihrer Lieblingsblumen und -pflanzen. Sie haben sich mit großer Lebenslust und Freude auf die Fotoshootings eingelassen, lachten, waren ernsthaft, begegneten sich selbst neu und blühten im wahrsten Sinne des Wortes auf. Durch die Auswahl an Blumen und Requisiten zeigen sie einen Teil ihrer Persönlichkeit. Das Projekt will mit künstlerischen Mitteln die Selbstwahrnehmung und Identität älterer Menschen stärken, ihre gesellschaftliche Teilhabe fördern und die Öffentlichkeit für das Thema Demenz sensibilisieren.
Kategorie "Nachwuchs"
Fabian Dopfer, Unterschleissheim (*1994)
a beautiful mind
Die Arbeit beschäftigt sich mit den emotionalen Zuständen einer demenzkranken Person. Während die Krankheit Sprache, Gestik und Mimik zunehmend einschränkt, ist es für Angehörige oft nicht nachvollziehbar, welche Emotionen sich in den Betroffenen regen und welche Bedürfnisse sie haben. Die Fotografien sollen ein besseres Verständnis vermitteln und trotz der schwierigen Umstände dazu ermutigen, sich nicht durch die äußere Wahrnehmung von Demenz täuschen zu lassen.
Die Fotos sind im Rahmen der Diplomarbeit des Fotografen entstanden und rühren aus persönlicher Erfahrung mit seinem Opa. Die Bilder sind keine Composings. Sie sind wie abgebildet in der Kamera entstanden.
Marlene Müller, Stuttgart (*1995)
Diese Fotoserie zeigt die morgendliche Alltagsroutine meiner Oma und meiner Mama. Meine Oma war zu diesem Zeitpunkt in einem bereits sehr fortgeschrittenen Stadium der Demenz, in dem sie kaum mehr verbal kommunizieren konnte. Umso beeindruckender fand ich daher das spürbare blinde Vertrauen und die tiefe Verbindung zwischen den beiden sowie die Selbstverständlichkeit einer unglaublich liebevollen nonverbalen Kommunikation. Morgendliche Rituale wie Haarewaschen und gemeinsam den Tag zu begrüßen wurden regelrecht zelebriert und waren sowohl für meine Oma als auch für meine Mama immer ein guter und unbeschwerter Start in den neuen Tag.
Selbstgebaute, improvisierte Dinge, wie z.B. die Bretter-Konstruktion am Bett, ermöglichten es meiner Oma bis zum Schluss im vertrauten Ehebett zu schlafen.
Möchten Sie die Fotografin kontaktieren, so melden Sie sich gerne bei info@demenzneusehen.de
Kategorie "Amateur"
Regina Petri, Wiesbaden (*1962)
Demenz vor dem Rentenalter ein Gesicht geben...
In Deutschland haben nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. zirka 22.000 Menschen im Alter von 45 bis 65 Jahren eine Demenzdiagnose. Auch wenn die Veränderungen schleichend sind, merken jüngere Menschen mit Demenz schnell, dass etwas mit ihnen nicht stimmt.
Die Bilder entstanden in der Gruppe KESS (Kreativ, Engagiert, Selbstbewusst, Selbstständig) der Alzheimer Gesellschaft Wiesbaden e.V. Sie zeigen zwei jungbetroffene Männer: Claus-Peter über fünf Jahre hinweg sowie Michael und Claus-Peter bei einem der vielen Spaziergänge während der Corona-Zeit.
„Demenz neu sehen, heißt Demenz in einem Licht darzustellen, welches der Erkrankung den Schrecken nimmt“, schreibt Regina Petri, die als Mitarbeiterin der Alzheimer Gesellschaft und Gruppenleiterin die Fotos gemacht hat. „Ich bin dankbar für die bereichernden Stunden mit der Gruppe KESS, für die Begegnungen und Gespräche, das Lachen und Traurig sein, das wir zusammen erleben können.“
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Pascale Ruppel, München (*1981)
Die Idee des Fotowettbewerbs spricht mir aus der Seele. Ich bin seit drei Jahren pflegende Angehörige und von Anfang an standen für mich die vielen schönen, lustigen und auch unbeschwerten Momente im Vordergrund. Natürlich ist es oft anstrengend und ich bin am Ende meiner Kräfte. Nichtsdestotrotz versuche ich stets, die Demenz mit Leichtigkeit und Humor zu nehmen. Dafür mehr Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu schaffen, finde ich enorm wichtig! Deshalb wollte ich auch unbedingt teilnehmen.
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Bettina Wobst, Dresden
Opa mit Prinzessin
Bettina Wobst begleitete ihren Vater 12 Jahre. Mit ihren Fotos will sie zeigen, wie wichtig Familie bei Demenz ist
Meine Tochter Clara hat an Opas Hand das Laufen erlernt. Als sie drei Jahre alt war, hat ihr Opa das Laufen verlernt. Die Demenz hat meinem Vater Sigurd viel genommen, seine Fähigkeiten zu sprechen, zu laufen, zu lachen - aber dennoch spüren wir seine Präsenz und seine Liebe! Familie zu sein heißt, auch im Abschied nicht wegzuschauen, sondern sich im Gegenteil nahe sein, zu umarmen und Liebe zu leben. Das ist ein Trost, den einem die Krankheit nicht nehmen kann!
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