Siegerfoto Kategorie "Nachwuchs"
Lilli Nass, Berlin (*1998)
»cursare«
2017 erhält der Vater der Fotografin die Diagnose Alzheimer. Sie ist damals 19 Jahre alt, der Vater 54. Er zählt somit zu den seltenen Fällen, in denen eine Person unter 65 Jahren an einer Form von Demenz erkrankt.
Wie besonders ist ein Abschied, wenn er ein langsamer und kein plötzlicher ist? Was bedeutet es, um jemanden zu trauern, der eigentlich noch am Leben ist? Wie lässt sich die Hoffnung nicht verlieren? Welche Arten, die Welt und die häusliche Umgebung wahrzunehmen bleiben, welche kommen dazu? Die Arbeit untersucht verschiedene Gegenstände, die in der Wohnung und unterwegs gefunden, verlegt und ertastet werden. Die Spuren dieses 'Nestelns', eine der typischen Handlungsweisen von Demenzerkrankten, werden so zum Symbol einer Suche nach Halt, neuer Sicherheit und Verletzlichkeit.
Die Arbeit ist hauptsächlich im Januar, Februar und März 2022 entstanden und wurde durch den Förderpreis des Berufsverbands Freie Fotografen und Filmgestalter e.V. (BFF) gefördert.
Sie wollen mehr erfahren über dieses Bild? Lilli Nass im persönlichen Gespräch
Hören Sie hier die Geschichte zu der Fotoserie:
Begründung der Jury
Die Preisträgerin in der Kategorie „Nachwuchs“ Lilli Nass zeigt mit ihrer Arbeit „cursare“ auf liebevolle Weise die sichtbaren und nicht sichtbaren Veränderungen ihres bereits mit 54 Jahren an Alzheimer erkannten Vaters. Die engen Bildausschnitte und der reduzierte Farbraum der Bilder verdeutlichen zum einen das schleichende Abgeschnitten werden von der Außenwelt durch die Krankheit und zum anderen die sich langsam verändernde Persönlichkeit des Vaters. Neue Gewohnheiten werden prägend und Gegenstände verlegt, wie Schuhanzieher und Bleistift in der Hosentasche. Das sogenannte „Nästeln“ nimmt einen großen Raum im Alltag der Erkrankten ein. Empathisch und mit präzisem Gestaltungswillen zeigt Lilli Nass die für Außenstehende verwunderlichen Verhaltensweisen ihres Vaters. Das Gewinnerbild gibt einen intimen, schriftlich festgehaltenen Einblick in die Gedankenwelt eines Demenzerkrankten ohne ihn in seiner Würde als Mensch einzuschränken.
Prof. Dirk Gebhardt, Dortmund
Andere Kategorien
Besondere Erwähnungen
Weitere acht Fotoarbeiten wurden von der Jury mit einer Besonderen Erwähnung gewürdigt