Statement Désirée von Bohlen und Halbach anlässlich des PresseClub-Forums "Demenz – Dem Vergessen neu begegnen" am 20. September 2021
– Es gilt das gesprochene Wort –
Mein Name ist Désirée von Bohlen und Halbach, und ich habe 2017 den gemeinnützigen Verein Desideria Care e.V. gegründet. Der Verein entwickelt und fördert Angebote für Menschen mit Demenz und ihre Familien. Besonders liegt uns am Herzen, die Angehörigen zu unterstützen. Aktuell sind wir vor allem im Großraum München aktiv, perspektivisch wollen wir aber auch bundesweit agieren: Mit Konzerten, Coaching und Seminaren Online und in Präsenz und bald auch mit einem ganz besonderen Fotoprojekt. Wir möchten Betroffene und ihre Familien aus der Tabuzone holen und dazu beitragen, dass Demenz mehr Öffentlichkeit bekommt. Nur so kann Lebensqualität für diese Familien entstehen.
Wie kommt es zu meinem persönlichen Engagement?
Ich habe mich 4 Jahre als ehrenamtliche Leitung bei der Malteser Tagesstätte für Menschen mit Demenz in München eingebracht und bin dort durch meine Arbeit auch immer wieder mit der Situation der Angehörigen konfrontiert worden. Diese oft so schweren Schicksale haben mich zutiefst berührt und in mir den Wunsch geweckt, hier mein Wissen im Sinne einer emotionalen Begleitung und Beratung der Angehörigen einzubringen. Mit meinen systemischen Ausbildungen und der Trainerausbildung nach Silviahemmet durch die Malteser war die Grundlage unserer jetzigen Arbeit geschaffen. Zudem hat mich schon lange das Engagement meiner Tante, der Königin von Schweden, für Menschen mit Demenz beeindruckt und inspiriert. Im Rahmen eines Benefiz Konzerts 2017 konnte ich das Startkapital für meinen Verein generieren. Unser erstes erfolgreiches Engagement war der Aufbau von „Musik im Kopf“, einer Konzertreihe für Menschen mit und ohne Demenz. Bisher konnten wir 5 Konzerte durchführen, zuletzt auch online und hybrid.
Was uns im Team antreibt
In Deutschland leben aktuell 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenz und täglich kommen rund 900 dazu. Diese Entwicklung stellt unsere Gesellschaft vor große soziale und wirtschaftliche Herausforderungen. Demenz ist eine Krankheit, die nicht nur den Erkrankten selbst, sondern auch das familiäre Umfeld stark fordert. Mit immensen Folgen für die Angehörigen: Überforderung, Vereinsamung, körperliche Beschwerden bis hin zu Burn-out, Sucht oder Depression. Die Krankheit ist in unserer Gesellschaft noch immer stark stigmatisiert. Unser zentraler Ansatz ist es, die Zu- und Angehörigen zu stärken und ihnen neue Perspektiven zu geben.
Was ist unser Beitrag?
Letztes Jahr sind wir mit kostenfreien und damit sehr niederschwelligen Angehörigenseminaren gestartet. Sie basieren auf dem wissenschaftlich evaluierten Konzept EduKation Demenz. Sabine Engel, Professorin für Soziale Gerontologie aus Erlangen hat diese Schulung entwickelt. EduKation Demenz ist derzeit die einzige wissenschaftlich evaluierte Angehörigenschulung in Deutschland. Die Angehörigen erhalten wertvolles Wissen über die Krankheit und können sich in kleinen Gruppen miteinander austauschen. Kurz nach dem Start unseres neuen Angebots kam Corona und wir mussten die Seminare in den virtuellen Raum verlegen. Wir waren überrascht, wie viele Töchter und Söhne von Menschen mit Demenz aber auch wie viele pflegende Partner*innen das Online-Angebot angenommen haben. Und es funktioniert gut. Der virtuelle Raum ermöglicht Geschwisterpaaren, die Seite 2 an verschiedenen Orten leben, die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema. Ebenso können Zu-und Angehörige aus strukturschwachen ländlichen Gebieten teilnehmen, wo Angebote immer noch rar sind. Rund 70 Familien besuchten im letzten Jahr unsere Seminare. Viele treffen sich im Anschluss weiter in unseren systemisch angeleiteten Angehörigengruppen. Auch diese bieten wir inzwischen online an. Ich kann jedem Angehörigen eine Teilnahme sehr an Herz legen. Wissen und der Austausch mit anderen Betroffenen helfen!
Ein weiteres Pandemie-Baby ist unser monatlich erscheinender Podcast Leben, Lieben, Pflegen – Der Podcast zu Demenz und Familie. Seit der ersten Folge am Welt-Alzheimer-Tag vor einem Jahr, freuen wir uns über die rasante Entwicklung unseres Zöglings. Inzwischen sind 12 wunderbare Folgen entstanden. Mit diesen haben wir bis jetzt über 8000 Zuhörer*innen erreicht. Die beiden Protagonistinnen des Podcasts sind meine Vorstandskollegin und Desideria-Care-Mitgründerin Anja Kälin und Bloggerin Peggy Elfmann von www.alzeimerundwir.com. Beide sind Töchter einer Mutter mit Demenz. Unter der professionellen Regie von Journalistin Isabel Hartmann verleihen sie Angehörigen eine Stimme! Sie informieren, machen ihnen Mut, sprechen Tabuthemen, geben ihnen Impulse und konkrete Tipps zur Selbstfürsorge und Selbsthilfe. Dieser Podcast von Angehörigen für Angehörige hat im deutschsprachigen Raum ein Alleinstellungsmerkmal. Unsere Pionierleistung wurde im Juli für den Publikumspreis der HERTIE Stiftung nominiert.
Zu guter Letzt möchte ich Ihnen noch ein weiteres Herzensprojekt vorstellen, mit dem wir neue Wege gehen: In Kürze startet die Ausschreibung für den Desideria Care Preis für Fotografie „Demenz neu sehen“ https://demenzneusehen.de . Der Preis ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert. Profis, Nachwuchsfotografen und Amateure sind eingeladen, Menschen mit Demenz und deren Angehörige in ganz persönlichen und positiven Situationen zu fotografieren. Soweit wir wissen, ist dies der erste Fotowettbewerb zum Thema Demenz. Wir sind deshalb der Münchner Josef und Luise Kraft Stiftung sehr dankbar, dass auch sie an die Macht der Bilder glaubt und ein Zustandekommen des Projekts durch ihre Förderung ermöglicht.
Wir sind fest überzeugt: Demenz braucht Öffentlichkeit! Zentrales Anliegen des Fotowettbewerbs wird sein, der Volkskrankheit Demenz größere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Die Fotos sollen dazu beitragen, die Bildsprache zum Thema Demenz zu verändern und damit einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft bewirken. Die meisten Menschen verbinden mit dem Thema Demenz Ängste und negative Emotionen. Wir wissen jedoch, dass betroffene Familien diesen Lebensabschnitt keineswegs nur negativ erleben. Dieser Aspekt wird in der medialen Berichterstattung bisher selten dargestellt. Bilder haben eine hohe emotionale Wirkung und sind oft stärker als Worte. Der Fotowettbewerb „Demenz neu sehen“ soll helfen, ein gesellschaftlich hochrelevantes Thema mit anderen Augen zu betrachten und neue Perspektiven auf die Krankheit Demenz zu eröffnen. Wir haben uns bei den Vorbereitungen deshalb besonders gefreut, für die Jury drei hochkarätige Repräsentanten aus der Fotoszene gewinnen zu können.
Prof. Dirk Gebhardt, Fotograf, Journalist und Hochschullehrer aus Dortmund, Fotograf Armin Smailovic aus München und die Ressortleiterin der Bildredaktion von der Wochenzeitung die ZEIT, Amélie Schneider. Die Werke werden sowohl online als auch in einer Ausstellung im Rahmen der Preisverleihung präsentiert. In Planung ist zudem eine Wanderausstellung, für die wir noch einen Sponsor suchen. Weitere Informationen finden Sie auf www.demenzneusehen.de
Wie geht es weiter?
Mit meinen beiden Partnerinnen Anja Kälin und Isabelle Henn bin ich angetreten, neue Formen in der Begleitung von Familien von Menschen mit Demenz zu entwickeln. Die Versorgungsstrukturen in Deutschland im Bereich Demenz sind stark auf die Erkrankten ausgerichtet. Häufig bleibt die Not der Angehörigen ungesehen und ungehört. Gleichzeitig bilden diese die zentrale Säule in der häuslichen Versorgung und Pflege, denn drei Viertel der 1,6 Mio. Erkrankten werden zu Hause betreut. Wir suchen stets nach innovativen Lösungen und neuen Ansätzen. Einfach machen, ist unser Grundsatz. Was in München gut funktioniert, möchten wir künftig auch bundesweit etablieren. Da gibt’s noch viel zu tun!
Über Desideria Care e.V.
Der gemeinnützige Verein Desideria Care e.V. wurde 2017 von Désirée von Bohlen und Halbach in München gegründet, um Familien mit Demenz mit innovativen Angeboten zu unterstützen und zu stärken. Mit unseren Angeboten geben wir Betroffenen und ihren Angehörigen eine Perspektive. Eckpfeiler hierfür sind Wissen, Selbstfürsorge und Lebensqualität. Wir setzen uns für eine demenzfreundliche Gesellschaft ein, in der Demenz kein Stigma und Tabu darstellt. Unser Ziel ist es, ein Umdenken in unserer Gesellschaft zu bewirken und mehr Teilhabe und Lebensqualität für betroffene Familien zu schaffen.
Desideria Care ist Fördermitglied der Alzheimer Gesellschaft Bayern, zertifizierter Demenz Partner der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Mitglied des Unternehmensnetzwerks Erfolgsfaktor Familie, des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit, sowie des Familienpakt Bayern.
Spendenkonto Desideria Care e.V. IBAN: DE18 7015 0000 1004 7700 77 BIC: SSKMDEMMXXX PayPal: spende@desideriacare.de