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Newsbeitrag

Wie es gelingt, Eltern beim Älterwerden zu begleiten

24.10.2024

Pflegen ist doch kein Thema für uns, meine Eltern sind gesund. Das dachte Peggy Elfmann lange Zeit, bis ihre Mutter vor 13 Jahren an Alzheimer erkrankte. In ihrem neuen Buch "Meine Eltern werden alt" schreibt die Journalistin und Co-Host des Desideria Podcasts Leben. Lieben. Pflegen. über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus dieser Zeit. Dabei befasst sie sich intensiv mit der Frage, wie erwachsene Kinder die Situation meistern, wenn die Eltern im Alter die Kräfte verlieren und unübersehbar Hilfe brauchen und wie es gelingt auch über schwierige Themen wie Pflegeheim, Vollmachten und Finanzen zu sprechen. Im Interview erzählt Peggy Elfmann von ihren Erfahrungen und Strategien, die ihr als pflegende Angehörige geholfen haben.

Liebe Peggy, seit der Alzheimer-Erkrankung deiner Mutter teilst du deine Gedanken und Erlebnisse mit der Öffentlichkeit in deinem Blog „Alzheimer und wir, in Interviews und jetzt auch in deinem neuen Buch „Meine Eltern werden alt“. Wann hast du dich dazu entschlossen, offen über deine Situation zu sprechen?


Das war in einer Phase, in der ich mich überfordert fühlte. Die Diagnose meiner Mama machte mich wahnsinnig fertig und ich hatte das Gefühl, ganz viel falsch zu machen. Ich dachte, es liegt an mir, dass ich das nicht hinbekomme. Bis ich irgendwann verstanden habe, dass es nicht mein individuelles Problem ist. Dass es vielen Menschen so geht, die sich um ein Familienmitglied mit Demenz kümmern. Es kommen immer wieder Phasen, die überfordern. Weil viele Fragen im Raum stehen. Weil man die Antwort nicht kennt. Weil die erkrankte Person Dinge nicht möchte. Weil Hilfsangebote nicht funktionieren. Weil man zu wenig Wissen hat. Mit diesen Gedanken in meinem Kopf, habe ich überlegt, wie es wohl wäre, wenn ich über all das schreibe. Ob es mir helfen würde, mich mit anderen Menschen auszutauschen, denen es ähnlich geht. Nach Lösungsansätze zu suchen. Und dass vielleicht auch andere davon profitieren, wenn ich das alles aufschreibe. 


Wie hat dir das Schreiben geholfen?


Es hat mir gezeigt, dass die Situation nicht nur schrecklich ist. Ich habe erkannt, dass ich Dinge selbst gestalten kann und dass es auch sehr schöne Momente mit meiner Mama gibt. Durch das Schreiben konnte ich das festhalten und gleichzeitig anderen mitgeben. Ich bekomme oft auch sehr schöne Rückmeldungen. Briefe, in denen Angehörige schreiben, dass es ihnen genauso geht und ihnen meine Texte helfen, ein bisschen besser zu verstehen, was ihnen passiert. Das tut auch gut.


Du hast das Buch „Meine Eltern werden alt“ geschrieben. Ein Thema, mit dem wir Kinder uns ungern auseinandersetzen. Warum ist das so?


Wir alle möchten alt werden, aber alt sein und Unterstützung von anderen benötigen, jemandem sozusagen zur Last fallen, das will keiner. Wen es nicht persönlich betrifft, der umgeht das Thema ganz nach dem Motto ,Wenn wir nicht drüber reden, dann trifft es uns auch nicht‘. Wer will schon übers Pflegeheim sprechen? Das geht ja auch mit Themen wie Sterben und Tod einher. Mein Papa hat auch immer abgewunken, wenn ich darüber sprechen wollten, an welcher Stelle er in der Pflege Unterstützung braucht, aber auch, wenn es um seine Zukunft ging. Er sagte dann gern ,Das geht schon noch‘ und .Ich schaffe das schon‘. Ich habe das auch dankbar angenommen, weil es dieser Krankheit und dem Alltag die Normalität gegeben hat, die wir kannten: Meine Eltern kriegen das schon hin, sie sind schließlich die Eltern und ich bin das Kind. Einzusehen, dass es so eben nicht mehr geht und gleichzeitig zu hinterfragen, wo jetzt meine Verantwortung liegt, die Entscheidung zu treffen, dass ich mich kümmere, hat auch zu einer Veränderung in diesem Beziehungsgeflecht in der Familie geführt. 


Wie seid ihr mit dem Thema Pflegeheim umgangen. Eltern sagen oftmals, dass sie keinesfalls in eins wollen. Wie geht man mit so einer Aussage um?


Pflegeheim ist in unserer Gesellschaft mit Endstation verbunden. Ehrlich gesagt war das auch meine Angst. Als ich dann das erste Mal in einer Einrichtung war, habe ich gesehen, dass es gar nicht so schrecklich ist, wie es in meinem Kopf gewesen war. Ich habe auch mit Bewohnerinnen gesprochen, die meinten, dass es eigentlich ganz schön ist, weil sie hier andere Menschen zum Austauschen haben. So habe ich gemerkt, dass das es primär meine Angst ist und dass ich mit Pflegeheim Verlust und Sterben verbinde. Meine Mama ist erst sehr spät in ein Pflegeheim gezogen und ich frage mich im Nachhinein, ob es ihr vielleicht gutgetan und auch meinen Papa Entlastung geschenkt hätte, wenn wir die Entscheidung dazu schon früher getroffen hätten. 


Pflege ist weiblich. Es sind zu 80 Prozent die Töchter und Partnerinnen, die sie übernehmen. Wie hast du dich mit deinem Bruder arrangiert? 


Tatsächlich haben wir uns von Anfang an gleich viel gekümmert. Manchmal glaube ich sogar, dass mein Bruder phasenweise mehr gemacht. Wir leben beide gut 300 Kilometer entfernt, das ist also nicht so einfach. Wir haben versucht, immer abwechselnd bei meinen Eltern zu sein, damit möglichst oft jemandem da ist. Aber so hatten wir nie gemeinsame Zeit, um uns mal in Ruhe auszutauschen. Dann sind wir mal nur zu zweit übers Wochenende weggefahren, um über die Situation zu sprechen und Strategien zu entwerfen, wenn sich die Lage ändert und z.B. auch mein Vater irgendwann nicht mehr kann.


Hat dir geholfen, zu wissen, dass du mit der Situation nicht alleine bist?


Ja, wir sind sehr zusammengewachsen und ich habe gemerkt, dass viel Vertrauen da ist. Wir haben versucht, es fair hinzubekommen. Keiner hat erwartet, dass einer seinen Job aufgibt. Wir vertrauen dem anderen sehr und sprechen uns oft ab. Das ist manchmal anstrengend, aber so sind wir immer auf dem gleichen Stand.


Deinem Vater fällt es schwer Hilfe anzunehmen. Viele deiner Ideen und Vorschläge, um die Pflege für ihn zu erleichtern, hat er abgelehnt. Wie bist du damit umgegangen?


Anfangs habe ich versucht, ihn von meinen Ideen zu überzeugen und habe nicht verstanden, warum er das nicht will. Ich wollte doch nur das Beste und trotzdem sagte er Nein. Das hat mich verletzt und ich habe mich nicht wertgeschätzt gefühlt. Es war ein Lernprozess, zu akzeptieren, dass ich es bin, die sich anpassen muss. Das hat mir geholfen. Irgendwann habe ich angefangen anders zu kommunizieren. Ich habe mir einen ruhigen Moment gesucht, von meiner Perspektive aus gesprochen. Dass ich mir Gedanken und Sorgen um ihn mache. Dass ich Angst habe, nicht rechtzeitig mit ihm zu sprechen und wissen möchte, was er für seine Zukunft möchte. Wenn ich das nicht weiß, muss ich halt irgendwann selbst entscheiden. Aber eigentlich wär's doch viel schöner, wir könnten das gemeinsam machen.


Das ist sehr viel Rücksichtnahme und Feingefühl gefragt. Wie hältst du das aus?


Das klappt nicht immer. Ich habe aber gemerkt, dass ich mit mehr Feingefühl und Geduld an die Gespräche gehen kann, wenn ich entspannt bin. Wenn ich gestresst bin, dann bin ich auch manchmal motzig und genervt und fühle mich schnell angegriffen. 


Was hilft dir, wenn du das Gefühl hast nicht weiterzukommen, etwa im Gespräch mit deinem Vater oder wenn dich mal wieder das latent schlechte Gewissen plagt, das alle pflegenden Angehörigen nur zu gut kennen? 


Aus der Situation rauszugehen, Pausen zu machen, arbeiten, mich mit Freundinnen zu treffen. Einfach schöne Dinge machen und diesen auch eine Verbindlichkeit einräumen. Mir tut das Joggen am Morgen gut. Ich schreibe mir das sogar in meinen Terminkalender, um zu mir zu sagen, dass das jetzt wichtig ist, auch wenn es gerade stressig ist und die Zeit fehlt.
 

In deinem Buch hast du 50 Tipps für ein gutes Miteinander zusammengestellt. Was ist dein Lieblingstipp?


Einer meiner Lieblingstipps ist, ein Pflegenetzwerk aufzubauen. Das ist Tipp Nummer 8 und es geht darum, Banden zu bilden. Das bedeutet neben externen Dienstleistern wie dem Arzt, der Tagespflege, auch Vertraute zu finden wie z.B. Nachbarn oder Freunde und sie mit einzubeziehen. Also aktiv Hilfe zu suchen oder die Hilfsangebote von anderen auch anzunehmen.


Würdest du sagen, dass du durch deine Erfahrungen später mal eine bessere ältere Mutter bist und es deinen Kindern ein bisschen leichter machst?


Ich nehme es mir zumindest vor. Ich denke auch jetzt schon oft drüber nach, wie ich diese Lebensphase gestalten möchte. Ich glaube, genau darum geht es am Ende. Dass wir uns als Eltern Gedanken darüber machen, was wir möchten, was wir erwarten können. Hauptsache wir warten nicht so lange, bis wir das nicht mehr äußern können und es einfach zu spät ist. 
 

Medienempfehlung
Literaturempfehlung

Meine Eltern werden alt

Niemand spricht gerne über das Altern und Pflegen, und doch kommt es auf uns alle irgendwann zu. In "Meine Eltern werden alt" ermutigt Autorin Peggy Elfmann Töchter, Söhne und ihre Eltern, sich dem Thema frühzeitig und gemeinsam zu nähern. In ihrem Buch stellt sie 50 Ideen vor und gibt konkrete Impulse, wie sie diese Themen besprechen können und welche Schritte hilfreich sind, wenn Mutter oder Vater zunehmend Unterstützung brauchen.

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